Ein Tag zum "Zirbeln" - das Glück beim Schopf gepackt

Ski

An Tagen wie diesen geht das Aufstehen - trotz der frühen Uhrzeit 4:30 Uhr - wie von selbst. Bei der Wettervorhersage: "Nach bedeckter Nacht unter Föhneinfluss sonnig und warm" ist ein "alpiner Start" absolute Pflicht.

Während der ersten Meter, noch in der frühen Dämmerung - Ski und Skischuhe am Rucksack - plaudern wir über das einsame Hochplateau mit unerschöpflichem Skiterrain jeden Gustos und einem der wenigen Standorte in den Bayrischen Alpen an dem noch intakte alte Zirbelwälder stehen.  Ein Gebiet in dem zum Teil noch Zirbelschnaps destilliert wird.

Eine Stunde nach Sonnenaufgang hat der Föhn die letzen Wolkenreste erledigt. Als wir gerade das weiße Reich ungeahnter Möglichkeiten betreten, sind blauer Himmel, Pulver und Sonnenschein die Vorboten eines verheißungsvollen Tages.

Unser Plan ist noch vage, je nach Windeinfluss und Lawinengefahr ist die Aufstiegsroute noch ungewiss. Doch - sofern sicher - haben wir geplant der SO Wand, die mir seit meinem letzten Besuch im Kopf herum spukt, eine Befahrung abzuringen. Dem Entscheidungspunkt nahe, erkennen wir eine alte Lawine im Kessel. Das Problem des Tages liegt also bereits unten und der Windeinfluss oben st überschaubar. Kaum über dem Kamm, sehen wir zwei andere, die offensichtlich selbes Ziel anpeilen. Munter und zügig Spuren sie voran - herzlichen Dank zum ersten. Der Aufstieg erweist sich bei der hohen Schneelage als relativ unproblematisch. Nur wenige Felsen schauen stellenweise durch die geschlossen Schneedecke. Eine rare Seltenheit, wie der Local am Gipfel bestätigt.

Am Gipfel ist klar, das der LLB mit dem Gefahrenstellenbeschrieb offensichtlich richtig liegt. Ein Teil des "Windslabs" hat sich direkt unter der Wechte bereits verabschiedet. Der Teil unter dem rechten "Gupf" vor uns ist noch geladen. Noch einmal einen Blick auf das Foto von gegenüber, das ich letzte Woche geschossen habe - Linienstudie. Gerade runter und unter dem ersten großen Felsen Skiers right, damit wir auf dem Balkon oberhalb des großen Felsabbruches weiter unten nach rechts in weniger absturzgefährdetes Gelände queren können oder ganz oben gleich ganz nach rechts. Erste Variante: Schlechte Idee mitten in die Tafel aus Triebschnee auf halber Höhe des Face zu fahren. Es bleibt nur Variante zwei. Skiers Cut - das Zeug muss runter. Wie im Lawinenkundelehrbuch ziehen beim Queren Risse durch den Schnee und schollenartige Puzzleteile verabschieden sich unterhalb meiner Skier. Weiter unten wird weiter rechts ein weiterer Anriss initialisiert. Insgesamt kommt im Staubereich schon eine ganz schöne Ladung zusammen. Auf der vom Triebschnee konservierten  Schneekruste rutsche ich ab. Ich hatte schon Angst durch die Steilheit und durch die der Sonne zugewandten Exposition zu spät dran zu sein, aber durch die absorbierende Triebschneeschicht ist natürlich mit Firn auch nix los. Auf der griffigen Kruste kostet es Überwindung den ersten Schwung zu setzen - ein richtiger Kaltstart. Die ersten Meter der Abfahrt sind die steilsten und ausgesetztesten. Nach dem ersten Schwung wird es psychisch deutlich leichter. Hart aber griffig geht es hinab bis auf den Staubereich der Lawine. Von unten aus gesehen schaut unsere Befahrung mehr nach Krieg aus wie nach Genuss. Aber: Better safe than sorry. 

Erst Mittag und mit der Euphorie, das gemacht zu haben warum wir hier sind, folgen wir wieder den Beiden von vorhin - Danke zum zweiten. Wir nehmen wie letzte Woche den direkten Nordbalkon als Abfahrtsvariante - phänomenal.

Ein kurzer Blickkontakt genügt und schon ist wieder aufgefellt und wir folgen der vorhandenen Spur. Von wem wohl, die bekommen heute auch nicht genug, genau wie wir - Danke zum dritten.

Nach dem dritten Gipfel kruisen wir beschwingt über einen herrlichen Playground zurück zum Boden des Hochplateaus. Oh Mann, jedes mal aufs Neue ist es kaum zu fassen wie viel Spaß gute Skiruns machen. Ungläubig und kopfschüttelnd blicken wir zurück auf unsere Spuren - heute haben wir das Glück am Schopf gepackt!

Auf dem Rückweg kommen wir an einer Hütte vorbei. Aus dem dunklen Inneren ertönt es: "Habts durscht? A Bier werd se scho finden." Der Rückweg zum Auto kann warten. Auf der Sommerbank vor der Hütte plaudern wir über den schneereichen Winter, über Material, andere Regionen in den Alpen, und können uns nicht satt sehen an der Silhouette, der weißen Perle vor unseren Augen. Neben dem Radler bekommen wir noch ein "Zirbelschnapsler" .  Genau, hier ist einer der wenige Standorte in Bayern....
So bodenständige und herzensgute Menschen zu treffen macht, neben dem erlebten auf Tour, einfach nur glückselig - Danke zum vierten. In Erinnerung an diesen Tag wird diese Einladung und Begegnung immer den größten Platz einnehmen. 

Zu wenig gegessen und viele Höhenmeter, da reichen die paar Tropfen. An einem Tag wie  diesen gehen die Meter bis zum Parkplatz wie von selbst. Ein Tag zum "Zirbeln" eben...

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Gute Zeiten, spät in der letzten Saison - auf einen steilen Winter 16/17

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