Hochkalter 2607 m - eine rassige Gletscherskitour

Die Lawinenlage richtet sich in erster Linie nach dem Tagesgang. Skitouren sollten daher früh begonnen und nicht zu spät beendet werden, heißt es in der Prognose des Lawinenlageberichts für den kommenden Tag. Nichts für Langschläfer. Aber wer scheut es den frühen Wurm zu machen, um sicher unterwegs zu sein? Zumal diese Ansage für alle, deren Steigeisen und Pickel nur darauf warten endlich auf Skitour mit dabei zu sein, wie eine Verheißung klingt. Im Hinterkopf schlummert für ebendiese sicheren Verhältnisse ein Tourenziel, dass sich sogleich mit dringlicher Aufforderung und unüberhörbarem lauten Rufen den Weg ins Bewusstsein hämmert.

3:30 Uhr: Wecker, 4:15 Uhr: Abfahrt, 5:00 Uhr: Treffpunkt Piding, 6:00 Uhr: Kofferraumdeckel zu, Start: Mit Zustiegsschuhen - Ski und Skischuhe am Rucksack - folgen wir dem Wanderweg zur Blaueishütte. Die Nebeldecke überwunden, lassen wir die schweißtreibende subtropische Feuchte hinter, und ein Meer aus Watte unter uns. Am Wegweiser: "Blaueishütte 40 min"  ist die Schneegrenze. Mit Skiern - in wenigen Spitzkehren über den verkrusteten Schnee - erreichen wir schnell die Schutzhütte. Völlige Ruhe und Abgeschiedenheit, vis à vis dem nördlichsten "Gletscher" (eher, was davon noch übrig ist) der Alpen, der von den Gipfeln der Schärten-, Blaueisspitze und dem höchsten des gleichnamigen Gebirgsstocks, dem Hochkalter umrahmt wird. (Ziel für den Sommer und für gute Alpinisten bei den passenden Bedingungen auch im Winter: Blaueisumrahmung: http://www.bergsteigen.com/klettern/bayern/berchtesgadener-alpen/blaueisumrahmung)

Schnell überwinden wir die Distanz bis zum ersten Aufschwung. Ausgenommen einem Lawinenkegel, den es zu passieren gilt, ist alles gut zu gehen. Mit Harscheisen ist das Vorwärtskommen im ersten steilen Abschnitt deutlich leichter. Auch nach dem kurzen Flachstück sorgen die Harscheisen für Sicherheit, wenn es zur Blaueisscharte hin immer steiler wird. Bei der hohen Schneelage erreichen wir die Behelfsseile zum Ausstieg in die Scharte fast mit Ski. Jetzt kommt die Hardware ins Spiel: Mit Steigeisen und Pickel die letzten Meter in die Scharte - Spaß pur!

Unsere Rucksäcke lassen wir für einen schnellen Abstecher zur Blaueisspitze zurück. In der Draufsicht ist unsere Vorhaben bedenklich steil und ob wir die Schneerinne, die exponiert über jähen Abgründen zum Gipfel führt, gut begehen können, ist fraglich. Die Rücksäcke wieder aufgelesen beginnen wir mit der Spurarbeit, Schritt für Schritt, Meter für Meter. Zuerst sinken wir teilweise noch tief ein, doch der gesetzte Schnee und die oberflächlich harte Kruste erhöhen unser Klettertempo.

Allmählich gewöhnen wir uns an die Ausgesetztheit. Immerhin hat es geschätzt sicher über 50°. Wir erklimmen einen Grat, von dem wir im sonnseitig-aufgeweichten Schnee unschwer zum nahen Gipfelkreuz steigen - Heureka!

Brotzeit, Weitblick und Gipfelglück - tief unter uns ein einsamer Verfolger im Blaueis, auf der anderen Seite die ersten auf der Ofentalschneid.

Nachdem alle Gipfel des 360° Panoramas in Gebirgsgruppen zugeteilt, namentlich ausgemacht, unbekannte diskutiert und weitere Tourenideen angepriesen, packen wir zusammen und steigen einige Meter hinab.

Die Skier angeschnallt stehen wir in den rassig abfallenden Hängen oberhalb des Ofentals. Steil fahren wir ein paar Schwünge, ehe wir über einen Geländekamm zu Fuß in ein Schneefeld weiter westlich queren. Von hier buttern wir auf einer firnigen Melasse auf griffigen Untergrund hinab in den Talboden - phänomenal gut erwischt!

Bis auf ca. 1300 m reicht der Schnee. Jetzt machen sich die Zustiegsschuhe, die wir die ganze Zeit über im Rucksack hatten, bezahlt. Die Skier und Skischuhe am Rucksack spazieren wir ins Tal. Die Frühlingssonne ist angenehm warm, der innere Frieden ist hergestellt und das Glück der Welt haben wir heute am Schopf gepackt. Beschwingt marschieren wir den letzen Kilometer vom Nationalpark Eingang zum Parkplatz.

Dem glasklaren Wasser des Hintersee konnten wir partout nicht widerstehen. Ein Tag der vollends erdet!

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Mit Ski auf das Geiselhorn 2288 m - Hauserrinne eine imposante Firnrinne

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