Steiler Zahn 8; 300 m (E3+) - Schüsselkar

Die Qual der Wahl

Im Portfolio unserer vagen Ambitionen für besagten Tag erstreckt sich das Spektrum von Plaisir bis Ernsthaft. Bei zu erwartenden anderen Seilschaften, die strategisch genauso smart wie wir die plus eine Stunde durch die Zeitumstellung für einen etwas geschmeidigeren Frühstart nutzen und an der Südwand die goldene Herbstsonne abbekommen wollen, schadet es sowieso nicht ein paar mehr Topos sowie für manche zur Auswahl stehende Tour ein paar mehr mobile Sicherungsgeräte mitzunehmen.

Unsere Vorab-Recherche mit breiter und tiefer Informationsbeschaffung zu Nasenbohrer, Locker vom Hocker, Steiler Zahn, Hexentanz der Nerven oder Friedenspfeife löst sich weder während der knapp zwei Stunden Zustieg, noch am Wandfuß in einer klaren Entscheidung und Wohlgefallen auf. Die Kälte des Morgens lässt uns trotz der ersten Sonnenstrahlen schaudern oder bibbern wir vor den denkbaren Konsequenzen, die ein Einsteigen in eine ernsthafte Tour mit sich bringen könnte?

Das Wort zum Sonntag

Klar ist: nach einer anstrengenden Arbeitswoche, die es nicht erlaubte den Kopf beständig auf die möglichen Ziele am Wochenende zu lenken, um die Nerven vorab schon zu Drahtseilen zu verflechten, und einer kurzen Nacht (trotz plus einer Stunde), stehen hier zwei Familienväter,
- die zu zweit zwei alpine Klettertouren bis dato in dieser Saison gemacht haben
- die kaum zum Trainieren kommen und Selber-absichern war schon seit einer Weile nicht mehr an der Tagesordnung
- die versuchen ehrlich zu hinterfragen, was sie eigentlich wollen bzw. jeder für sich will und wozu man sich “committen” möchte
- die sich (eigentlich!) nichts mehr beweisen müssen, oder doch?
- die keinesfalls zu viel riskieren wollen, wer will das schon
und doch muss es was “Gescheites” sein, jetzt wo es sich endlich mal wieder ausgeht…

Long story short: Klar ist, das überhaupt nichts klar ist.

Ein Spannungsfeld der extra Klasse - nur ein Luxusproblem? Bei schweren Entscheidungsfindungen wird eines wieder sehr bewusst: gerade die Vorstellung, wie die “Kletterszene” (also auch ich) über unsere Begehung im Nachhinein sprechen würde, kann die richtige Entscheidung besser herausdestillieren.

  1. Gelungener (unfall- und verletzungsfreier) Durchstieg einer fordernden Tour
    O-Ton: “Mit so wenig Vorbereitung die Tour XY zu durchsteigen - krass, das ist echt kühn und eine wahnsinnige Leistung…”

  2. Gescheiterte (im schlimmeren Fall mit Unfall und Verletzung, evtl. sogar Rettung verbundene) Begehung
    O-Ton: “Mit so wenig Vorbereitung in die Tour XY einzusteigen ist ja Hybris! Kein Wunder, dass…”

Wohl all zu menschlich das als anonymer Betrachter so zu klassifizieren und Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich nah beisammen.

Mir helfen derartige Gedankenspiele oft, um den Fokus im Entscheiden auf die richtigen Schlüsse zu lenken, die auch die Konsequenzen mitberücksichtigen. Zuvor sollte möglichst klar sein, was mit wie hohem (un)bewussten Risiko meinem/r Seilpartner/in, meiner Familie und mir gegenüber zu verantworten ist.

Ob ihr wirklich richtig steht - steiler Zahn

Schnell fallen damit einige zu ambitionierte Touren mit zu schwerwiegenden möglichen Konsequenzen, wie z. B. Locker vom Hocker, durchs Raster. Andere sind bereits durch einsteigende Seilschaften blockiert.

Am Ende bleibt der steile Zahn als gute Mischung aus eigenverantwortlichem selbst abzusichernden sowie ernsten Passagen gepaart mit Bohrhaken an Stellen, wo dies nicht möglich ist. Bei den Namen der Erstbegeher, der Historie bzw. dem Wandel des Textbeschriebes im Kletterführer verschiedner Panico Versionen und dem sehr hilfreichen Begehungsbericht von Daniel Mohler, drängt sich unweigerlich die Vermutung auf, dass die Tour keinesfalls unterschätzt werden darf. Stürze (auch weitere) mit argem Verletzungspotential, z. B. Bodensturz aus ca. 8 m bis zum 1. Haken, sind nicht zu beschönigen und sehr ernst. Erst in Relation zu anderen (sehr) schweren Routen macht mancher Textbeschrieb halbwegs Sinn. Dann ist der VIII-Grad vergleichsweise gängig und gegenüber Touren ohne Bohrhaken ist auch die Absicherung deutlich besser.

Die Infos von Daniel habe ich bei unserer Begehung abgeglichen und in ein Topo einfließen lassen. Für alle Aspiranten, die gerne besser einschätzen möchten, was sie auf dieser (trotz Zusatzinfos immer noch) abenteuer- und erlebnisreichen Reise mit toller Linienführung und gigantischem Fels erwartet nachfolgend das Topo und die Weblinks.

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